GEMA vs Suno – Der Urheberstreit um KI‑generierte Musik
- Thommy _SN

- 1. Nov.
- 7 Min. Lesezeit

GEMA vs. SUNO AI
Einleitung
Musik, die auf Knopfdruck aus einer Maschine kommt, klingt für viele wie Science‑Fiction. Doch mit den neuen „text‑to‑music“‑Systemen wie Suno und Udio ist diese Vision Realität geworden. Anwender geben nur einen kurzen Text oder wenige Stichwörter ein, und schon generiert die künstliche Intelligenz komplette Songs inklusive Melodie, Harmonie, Rhythmus und Gesang.
Diese Technologie fasziniert nicht nur Kreative, sondern sorgt auch für Unruhe in der Musikbranche. Die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA sieht in den mit Hilfe ihrer Mitgliederrepertoires trainierten Systemen eine Verletzung von Urheberrechten und hat im Januar 2025 Klage gegen Suno eingereicht. Die Auseinandersetzung markiert den ersten Urheberrechtsstreit um KI‑Musik in Europa und könnte die Regeln für Generative‑AI‑Musik nachhaltig prägencisac.org. Im Folgenden werden die Hintergründe, die juristischen Argumente, die Positionen der Parteien und der aktuelle Stand des Verfahrens detailliert dargestellt.
Wer ist Suno – und was kann das KI‑Tool?
Suno Inc. ist ein US‑amerikanisches Start‑up, das seit 2023 ein frei zugängliches text‑to‑music‑Tool betreibt. Anders als herkömmliche Musiksoftware basiert Suno nicht auf vorgefertigten Samples, sondern nutzt ein großes neuronales Netzwerk, das mit vorhandenen Audioaufnahmen trainiert wurde. Nutzer*innen geben eine kurze Beschreibung oder sogar nur ein Stichwort („80er‑Pop Love Song“) ein, und die Software generiert innerhalb weniger Sekunden einen zweiminütigen Song mit Gesang, Instrumenten und Mastering. Das Geschäftsmodell von Suno beruht auf einem Freemium‑Ansatz: Basisnutzung ist kostenlos, aber für mehr Output und kommerzielle Nutzung verlangt das Unternehmen Abonnement‑gebührenmiz.org.
Der Erfolg von Suno beruht auf der Qualität der generierten Songs und der Einfachheit der Bedienung. Doch die Frage, aus welchen Daten der KI‑Generator gelernt hat und ob dabei urheberrechtlich geschützte Aufnahmen verwendet wurden, ist zentral für den Rechtsstreit mit der GEMA.
GEMA und der Anlass der Klage
Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs‑ und mechanische Vervielfältigungsrechte) vertritt die Urheberrechte von rund 95.000 Komponistinnen, Textautorinnen und Musikverleger*innen in Deutschland. Sie ist zuständig für die Einziehung und Verteilung von Lizenzgebühren, wenn Musik öffentlich aufgeführt, gesendet oder vervielfältigt wird.
Am 21. Januar 2025 reichte die GEMA beim Landgericht München I Klage gegen Suno Inc. ein. In der Klageschrift wird Suno vorgeworfen, die KI mit Aufnahmen aus dem GEMA‑Repertoire trainiert zu haben, ohne hierfür Lizenzen zu erwerbenmiz.org. GEMA‑Mitglieder hatten berichtet, dass Suno auf Eingabe ihrer Songtexte teilweise fast identische Songs erzeugt – inklusive Melodie, Harmoniefolge und sogar der prägnanten Gesangstimbresirights.info. Die GEMA sieht darin einen klaren Verstoß gegen das Urheberrecht und kritisiert, dass Suno durch den Verkauf von Abonnements Einnahmen erzielt, ohne die Urheber zu beteiligenmiz.org.
Laut der GEMA belegt die Klage ein tieferes Problem: Während viele generative KI‑Anbieter nach dem Fair‑Use‑Prinzip des US‑Rechts argumentieren, gilt in Europa das strengere Urheberrecht. GEMA‑Vorstandschef Dr. Tobias Holzmüller betont, dass KI‑Anbieter nur dann am Markt agieren dürften, wenn sie zuvor die erforderlichen Lizenzen einholen und eine „faire, angemessene und verhältnismäßige Vergütung“ sicherstellenmiz.org.
Welche Werke sind betroffen?
Die GEMA nennt explizit mehrere bekannte Songs aus ihrem Repertoire, die durch das Suno‑Tool „verblüffend ähnlich“ reproduziert wurden:
„Forever Young“ von Alphaville
„Mambo No. 5“ von Lou Bega
„Daddy Cool“ von Boney M.
„Cheri Cheri Lady“ von Modern Talking
„Atemlos“ von Helene Fischer
Die GEMA argumentiert, dass die von Suno generierten Titel in Melodie, Harmoniefolge und Rhythmik so eng am Original liegen, dass sie als unzulässige Vervielfältigungen geltencisac.org. Zur Untermauerung des Vorwurfs veröffentlichte die GEMA auf ihrer Webseite Vergleichsaudios und Notationsblätter, aus denen die Ähnlichkeiten hervorgehengema.de.
Beweise: Wie GEMA die Ähnlichkeit dokumentierte
Als zentrales Beweisstück führte die GEMA vor, dass bereits das Eingeben einiger Songtexte oder Titelteile aus dem GEMA‑Repertoire in Suno gereicht habe, um das Tool zum Generieren nahezu identischer Aufnahmen zu veranlassen. In einem Interview erklärte Kai Welp, Leiter der GEMA‑Rechtsabteilung, dass sie lediglich den Text von Liedern wie „Forever Young“ eingegeben hätten, woraufhin Suno eine Version generierte, die sich hinsichtlich Melodie, Arrangement und Gesangstimbre kaum vom Original unterschiedirights.info. Dies könne nur bedeuten, dass das KI‑System mit Aufnahmen aus dem GEMA‑Katalog trainiert worden sei und diese Muster beim Generieren reproduziere.
Die GEMA dokumentierte mehrere solcher Testläufe, veröffentlichte Lead‑Sheets und Audiovergleiche und stellte fest, dass die Stücke teilweise bis zu 70 % melodische Übereinstimmungen aufwiesen. Diese Belege untermauern den Vorwurf, dass Suno geschützte Werke nicht nur zum Training nutzt, sondern beim Generieren konkrete Bestandteile übernimmt – ein Verhalten, das nach europäischem Urheberrecht als unzulässige Vervielfältigung giltcisac.org.
Rechtlicher Hintergrund: Urheberrecht, Text‑ und Data‑Mining und das GEMA‑Opt‑out
Urheberrechtliche Kernfragen
Der Rechtsstreit berührt mehrere Bereiche des Urheberrechts:
Vervielfältigungsrecht und öffentliches Zugänglichmachen – Wer urheberrechtlich geschützte Werke vervielfältigt oder öffentlich zugänglich macht, braucht die Zustimmung der Rechteinhaber. Die GEMA sieht diese Rechte verletzt, weil Suno die Datenbank der GEMA ohne Lizenz kopiert und zum Training genutzt habeitmr-legal.de.
Schutz vor unlauterer Konkurrenz – KI‑generierte Musik konkurriert mit menschlichen Produktionen auf Streaming‑Plattformen und kann den Marktwert der Originalwerke mindern. Die GEMA argumentiert, dass Suno den Marktwert der Werke ihrer Mitglieder beeinträchtigt, da die KI durch geringe Kosten und schnelle Produktion menschliche Künstler verdrängen könntemiz.org.
Text‑ und Data‑Mining‑Ausnahmen nach deutschem Recht
In Deutschland erlaubt §60d und §44b UrhG das Text‑ und Data‑Mining (TDM) unter bestimmten Voraussetzungen. Wissenschaftliche Institutionen dürfen zu Forschungszwecken große Datenbestände analysieren, und auch kommerzielles TDM ist unter engen Bedingungen erlaubt. Allerdings müssen Rechteinhaber die Möglichkeit haben, dem TDM zu widersprechen.
Die GEMA hat 2022 auf Wunsch ihrer Mitglieder einen kollektiven Opt‑out erklärt, der auch für KI‑Trainingsdaten giltitmr-legal.de. Das bedeutet, dass keine GEMA‑werke ohne Lizenz zum Training von KI‑Systemen genutzt werden dürfen. Da Suno die Werke offenbar kommerziell nutze, greife die TDM‑Ausnahme ohnehin nicht – sie gilt nur bei Forschung und nicht zu kommerziellen Zweckenitmr-legal.de.
Unterschied zwischen US‑Fair‑Use und EU‑Urheberrecht
Während sich generative‑AI‑Anbieter in den USA häufig auf das Fair‑Use‑Prinzip berufen, steht dieses Konzept im EU‑Recht nicht zur Verfügung. Dort gilt die notwendige vorherige Zustimmung der Rechteinhaber. Daher argumentiert die GEMA, dass es keine Rechtfertigung für das Training mit geschützten Werken ohne Lizenz gibtmiz.org.
GEMA’s Forderungen und Lizenzmodell
Die GEMA betont, dass sie generative KI nicht grundsätzlich ablehnt. Sie will aber eine „faire Beteiligung“ der Urheber sicherstellenirights.info. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie einen Vorschlag erarbeitet, der auf zwei Säulen basiert:
Pauschale Vergütung für das Training – Für das Training der KI sollen die Rechteinhaber einen Anteil am Umsatz erhalten. GEMA‑Juristen schlagen vor, dass KI‑Anbieter mindestens 30 % ihres Nettoumsatzes oder einen festen Mindestbetrag als Lizenzgebühr abführenitmr-legal.de.
Beteiligung an den generierten Werken – Wenn KI‑generierte Songs gestreamt, verkauft oder anderweitig genutzt werden, sollen die ursprünglichen Urheber eine Vergütung in Höhe der bei menschlichen Werken üblichen Tarife erhaltenjuve-patent.com. Das bedeutet, die gleichen Abrechnungsmodelle, die für Radiosendungen oder Streaming gelten, sollen auch für KI‑Musik Anwendung finden.
GEMA‑Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Ralf Weigand warnt davor, dass der Kreativmarkt sich massiv verändern könnte, wenn KI‑Produzenten unbegrenzt menschliche Werke zum Training nutzen dürften. Er fordert gesetzliche Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass kreative Leistungen weiterhin entlohnt werdenmiz.org.
Die Argumente von Suno
Suno selbst äußert sich zu laufenden Verfahren kaum öffentlich. In einem US‑amerikanischen Verfahren gegen die RIAA und Universal Music argumentierte Suno, dass seine KI keine Samples, sondern ausschließlich Muster und Strukturen lerne. Die generierten Songs enthielten daher keine originalen Soundaufnahmen und könnten urheberrechtlich nicht als Kopien gewertet werdenmusicbusinessworldwide.com.
Suno‑Mitgründer Mikey Shulman behauptete außerdem, dass Suno „Mehrere Musiksammlungen“ nutze und keine einzelnen Werke kopiereitmr-legal.de. Man wolle Musikschaffenden helfen, neue Ideen zu entwickeln, nicht deren Werke stehlen. Wie Suno auf die spezifischen Vorwürfe der GEMA reagieren wird, ist bisher unklar.
Es ist jedoch zu erwarten, dass das Unternehmen sich auf das US‑Fair‑Use‑Modell beruft und argumentiert, es handele sich um transformative Nutzung. Ob diese Argumentation vor einem deutschen Gericht Bestand hat, wird sich zeigen.
Reaktionen und Kontext: andere KI‑Klagen
Der Fall GEMA vs Suno ist kein Einzelfall. Die GEMA verklagte im November 2024 bereits OpenAI wegen der Nutzung geschützter Songtexte zur Schulung von ChatGPTgema.de. Parallel führen große US‑Musikkonzerne wie Universal Music, Sony Music und Warner Music zusammen mit der RIAA in den USA eine Sammelklage gegen Suno und das Konkurrenzsystem Udio, in der es um die unbefugte Nutzung von Tonaufnahmen geht.
Die Klage der GEMA unterscheidet sich jedoch in zwei Punkten:
Die europäischen Gerichte müssen prüfen, ob bereits das Trainieren eines KI‑Systems mit Tonaufnahmen eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung darstellt und wie weit das TDM‑Recht reicht.
Außerdem geht es um melodische und harmonische Ähnlichkeiten, nicht nur um die Nutzung von Texten.
Da es der erste Fall dieser Art in Europa ist, könnte das Urteil Maßstäbe für weitere Verfahren setzen und die Entwicklung des EU‑KI‑Rechtsrahmens beeinflussenjuve-patent.com.
Aktueller Stand (Stand November 2025)
Bis Ende Oktober 2025 hat das Landgericht München I noch keinen Termin für die mündliche Verhandlung angesetzt. Laut Medienberichten ist die Klage anhängig, und das Gericht muss zunächst grundlegende urheberrechtliche Fragen klärenjuve-patent.com. Parallel dazu verhandelt das Gericht im November 2025 einen ähnlichen Fall gegen OpenAI, in dem es um die unerlaubte Nutzung von Songtexten gehturheber.info.
Die GEMA betont, dass sie zu Gesprächen mit KI‑Anbietern bereit ist und zwischenzeitlich mit einigen Firmen Lizenzgespräche führtirights.info. Bis zu einer Entscheidung bleibt unklar, ob Suno in Deutschland weiterhin operieren darf oder ob einstweilige Maßnahmen drohen. Das Ergebnis könnte auch Auswirkungen auf die geplante EU‑KI‑Verordnung und künftige Lizenzmodelle für generative Musik haben.
Bedeutung für die Musikindustrie
Der Streit zwischen GEMA und Suno wirft grundlegende Fragen auf: Wem gehören die Outputs einer KI, wenn sie aus urheberrechtlich geschützten Trainingsdaten entsteht? Wie können Urheberinnen und Urheber fair vergütet werden, wenn KI‑Musik immer günstiger produziert wird? Und welche Daten dürfen KI‑Systeme überhaupt verwenden?
Die GEMA sieht in der Nutzung ihrer Werke ohne Lizenz eine Gefahr für die Existenzgrundlage vieler Künstlerinnen und Künstler. Sie will vermeiden, dass KI‑Generatoren massenhaft Konkurrenzprodukte schaffen, die kaum unterscheidbar sind, aber keinerlei Erlös für die Originalschöpfer bringenmiz.org. Auf der anderen Seite betonen Start‑ups wie Suno, dass KI eine kreative Ergänzung und kein Ersatz sei.
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens wird dieser Rechtsstreit die Diskussion über KI und Urheberrecht in Europa prägen. Er könnte dazu führen, dass neue Lizenzmodelle entstehen, bei denen KI‑Anbieter pauschale Abgaben zahlen und generierte Werke wie Coverversionen oder Bearbeitungen behandelt werden. Das Spannungsfeld zwischen technischer Innovation und Schutz geistigen Eigentums wird dabei im Mittelpunkt stehen.
Fazit
Die Klage GEMA vs Suno ist mehr als ein Konflikt zwischen einer Verwertungsgesellschaft und einem Start‑up. Sie symbolisiert den grundlegenden Wandel, den künstliche Intelligenz in der Musikproduktion auslöst. Die GEMA will die Rechte ihrer Mitglieder schützen und verlangt von Suno Lizenzen und eine faire Beteiligungmiz.org. Suno hingegen argumentiert, dass seine Technologie nur Muster lerne und keine urheberrechtlich relevanten Kopien erstellemusicbusinessworldwide.com.
Wie das Landgericht München diese Fragen beantworten wird, ist offen. Fest steht jedoch, dass das Urteil weitreichende Konsequenzen für die Musik‑ und KI‑Industrie haben wird. Es könnte zeigen, ob und wie generative Musik rechtssicher genutzt werden kann, und ob Urheberinnen und Urheber in der KI‑Ära angemessen beteiligt werden. Für Kreative und Entwickler ist es deshalb wichtig, den Fall aufmerksam zu verfolgen – er markiert einen Meilenstein auf dem Weg zu einer digitalen Musikwelt, in der künstlerische Schöpfung und technische Innovation miteinander im Einklang stehen müssen.
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